1. Platz in der Jahrgangsstufe Q2
Zoe Tholen
St. Leonhard Gymnasium Aachen
Der hoffnungslose Romantiker, oder: Eine Einsicht
Ich bin ein Minnesänger
Sing Liebeslieder für liebloses Leben
Und lebe Liebe ohne Geliebte
Singend lauf‘ ich, immer weiter
Such‘ die Serendipität
Sie läuft mir weg, muss sie erst finden
Bemerk‘ die Ironie zu spät
So lauf‘ ich dann solang der Atem
In meiner Lung‘ mir noch verweilt
Das Glück ruft aber mir noch nach
Zu weit gelaufen, zu sehr beeilt
Ich verlauf‘ mich so im Walde
Im dichten Dickicht scheint kein Licht
Schwimm‘ durch den Wald aus tausend Worten
Und finde meine Sätze nicht
Als Minnesänger such ich weiter
Dicht im Dickicht mein Gedicht
Ich komm‘ schon raus hier, denk ich manchmal
Doch durchschlag‘ das Dickicht nicht
Und ich schau‘ nach oben,
Denn zwischen den Ästen aus Zeilen
Seh‘ ich mein altbekanntes Licht,
Die Liebe dort verweilen
So kletter‘ ich
Zieh‘ mich hinauf
Reiß‘ an Hyperbeln
Die Füße auf
Metaphern ziehen mich am Bein
Anaphern treten auf mich ein
Euphemismen blenden mich
Ellipsen kürzen mir das Licht
Ich zieh mich weiter, Satz für Satz
Ich komm‘ schon hoch da, denke ich
Und kommen tut die Müdigkeit
Und oben an komm‘ nur ich nicht
Und dann muss ich’s doch einsehen.
Ein Minnesänger, der nicht singet,
Gleicht einem Sucher, der nicht sucht,
Sondern findet.
Viel zu lang war‘n nun die Worte
Meine Waffe im Gefecht
Bin ein umgekehrter Pyrrhus
Mein Gewinn ist der Kampf, der Verlust ist mir recht
So die Worte schreien wieder
Wieder schreib‘ ich Worte nieder
Worte, Wörter
Sind wie Schwerter
Schwerter der Geschlagenen
Ich weiß, dass ich geschlagen bin.
Ich bin ein Minnesänger
Und singend sink‘ ich
Zurück ins Dickicht